Ver­lust des öffent­li­chen Raumes

Bahn­hö­fe und Schie­nen­net­ze gehö­ren zu den prä­gends­ten Struk­tur­ele­men­ten des öffent­li­chen Rau­mes. Eine Gesell­schaft zeigt in ihren öffent­li­chen Räu­men – Plät­zen, Gebäu­den, Ver­kehrs­we­gen – an, wie sie sich selbst ver­steht und wel­che gemein­sa­men Auf­ga­ben und Ver­pflich­tun­gen ihr wich­tig sind. Eine Aus­stel­lung der kunst­ko­ope­ra­ti­ve rhein­main macht nun auf den Ver­fall vie­ler Bahn­hö­fe auf­merk­sam: »Es ist sym­pto­ma­tisch, wie der öffent­li­che Raum, der den Bür­gern gehört, ver­nach­läs­sigt wird.« Ich glau­be, dass sol­che Ver­falls­er­schei­nun­gen damit zusam­men­hän­gen, dass unse­re Gesell­schaft immer mehr ihrer gemein­sa­men Zie­le ver­gisst bzw. glaubt, die­se out­sour­cen und pri­va­ti­sie­ren zu kön­nen: sozia­le Gerech­tig­keit, Alters­ver­sor­gung, Ver­kehr und Kom­mu­ni­ka­ti­on, sogar Sicher­heit – pri­va­te Unter­neh­men könn­ten dies alles bes­ser und effi­zi­en­ter, haben uns die Betriebs­wir­te weis­ge­macht. Viel­leicht kön­nen sie es teil­wei­se bil­li­ger, obwohl dies noch lan­ge nicht fest­steht und die lang­fris­ti­gen Kos­ten der Ver­wahr­lo­sung vie­ler öffent­li­cher Berei­che die Gesell­schaft tra­gen muss. Vor allem aber wird über­se­hen, dass öffent­li­cher Raum und öffent­li­che Insti­tu­tio­nen sowohl Aus­druck wie Kon­sti­tu­ti­ons­be­din­gun­gen einer Bür­ger­ge­sell­schaft sind. Es gab mal die euro­päi­sche Idee der Citoy­ens und Citoy­ennes, die mehr sind als blo­ße Objek­te von Kon­sum- und Effizienz-Kalkulationen.

Das Ver­rück­tes­te ist aber, dass mit der all­um­fas­sen­den Pri­va­ti­sie­rung auch die Pri­vat­heit schwin­det: Öffent­lich­keit und Pri­vat­sphä­re bedin­gen ein­an­der. Bür­ge­rin­nen und Bür­ger drü­cken sich in gemein­sa­men Anlie­gen in der öffent­li­chen Sphä­re aus und gestal­ten die­se auf­grund poli­ti­scher Über­zeu­gun­gen. Ein sol­cher öffent­li­cher Wert ist auch der Schutz des pri­va­ten Frei­raums. Pri­va­te Unter­neh­men jedoch haben kein Inter­es­se an Pri­vat­heit, im Gegen­teil, sie wol­len alles Pri­va­te, Inti­me, Indi­vi­du­el­le bis ins letz­te durch­drin­gen, aus­for­schen und kom­mer­zi­ell ver­wer­ten. Die Aus­stel­lung »Pri­vat« in der Frank­fur­ter Schirn zeigt die­se Mecha­nis­men scho­nungs­los auf. Die bewuss­te, öko­no­misch gewoll­te Auf­lö­sung der Öffent­lich­keit zer­stört zugleich Intim­sphä­re und Individualität.

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Der Regenpfeifer heißt mit bürgerlichem Namen Hermann Josef Eckl und lebt in Regensburg. Auf seiner Pinnwand können Sie Ihr Feedback hinterlassen. Hier finden Sie seine aktuelle Lektüre. Hören können Sie ihn in einigen Podcasts. Noch mehr über ihn erfahren Sie hier.

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