Ich verstehe Spiritualität…
…. als einen Erfahrungsweg. Eine spirituelle Lebenshaltung kann niemandem aufgedrängt oder angelernt werden. Sie besteht nicht in der Übernahme fertiger Formeln, sondern wächst aus der Integration umfassender und vielfältiger eigener Lebenserfahrung. Spiritualität setzt einerseits den Glauben mit dem Alltagsleben in Beziehung und hilft andererseits, den alltäglichen Erfahrungen aus der Glaubensüberzeugung heraus Tiefe und Sinn zu geben.
…. als einen Weg kritischer Vergewisserung. Spiritualität hat es zu tun mit dem letzten Grund, der mich trägt. Das ernsthafte Mühen um eine spirituelle Lebenshaltung beinhaltet die kritische Auseinandersetzung mit den Grundlagen der eigenen Glaubensüberzeugung und fördert damit ebenso die Bildung des persönlichen Gewissens wie ein vertieftes Verständnis des Glaubens.
…. als einen Weg der Einheit von Glauben und Leben. Spiritualität dient dem Bemühen, das eigene Leben aus einer einheitlichen Perspektive begreifen zu können und Weltliches und Religiöses nicht als zwei voneinander getrennte Bereiche zu erfahren. Gottesverhältnis und Weltverhältnis gehören untrennbar zusammen; eine spirituelle Lebenshaltung verbindet diese beiden Dimensionen zu einem einheitlichen Erfahrungsbereich. Sie ist nicht nur geprägt durch die persönliche Gottesbeziehung, sondern wirkt auch hinein in den zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Bereich.
…. als einen Weg von innen nach außen. Weil sie alle Dimensionen des Lebens umfasst, hat Spiritualität so gut wie immer auch politische Wirkungen. Echte Spiritualität tritt mit konkretem gesellschaftlichem Engagement allem entgegen, was Leben hindert, verletzt oder begrenzt. Sie ist damit – als gelebte Form religiöser Überzeugung – geradezu prädestiniert, auch in die Diskurse einer säkularen Gesellschaft das Sinnpotential des Glaubens einzuspeisen.
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