Obwohl ich eigentlich lange genug geschlafen habe, komme ich schwer aus dem Bett. Das Frühstück wird entsprechend kurz, aber das muss reichen. Unser Bus fährt an den Golanhöhen entlang nach Tiberias. Dort holen wir die Schwester von Miriam (einer Studentin aus der Gruppe) ab.
Wir kommen nach Kafir Hittim, einem Dorf bei den Hörnern von Hattin. Endlich sehe ich diesen historischen Ort nicht nur aus der Ferne. Dann erreichen wir den Eingang des Taubentals und es geht zu Fuß auf dem »Jesus Trail« weiter. Das Wetter ist herrlich und die Landschaft großartig, nur der Weg ist durch die Regenfälle der vergangenen Tage extrem matschig, ich kann meine Wanderschuhe wirklich gut gebrauchen.
Der Raps blüht und duftet, vereinzelt sind Lupinen zu sehen, dazwischen immer wieder rot leuchtend das Sommer-Adonisröschen und das gelbe Frühlings-Adonisröschen. Viele der Mittelmeerpflanzen kann ich aber leider nicht bestimmen. Jede Menge Vögel lassen sich hören, ich bekomme jedoch nur wenige davon zu Gesicht; immerhin einige, für mich ganz besondere Arten: eine Streifenprinie, eine Blaumerle, die von einem Felsvorsprung singt, einen Jericho-Nektarvogel und einige Gelbsteißbülbüls. Auch eine Gruppe Klippschliefer turnt auf den Felsen herum. Die schichtartigen Felsen sind von vielen Höhlen durchsetzt, wahrscheinlich natürlichen Ursprungs, aber vielleicht später von Menschenhand erweitert. Man hat sie wohl nicht nur genutzt, um dort Tiere unterzubringen, sondern auch als Versteck für Kämpfer wie die Zeloten.
Mit völlig verdreckten Schuhen gelangen wir am Ausgang des Taubentals an. An einem Wadi können wir unsere Schuhe reinigen und werden in dem Beduinendorf, das vor uns liegt, wieder vom Bus abgeholt. Es geht weiter nach Nazaret. Wir besichtigen die orthodoxe Verkündigungskirche am »Brunnen der Maria«. Der Pope oder Mesner oder wer auch immer will alle Besucher schnell wieder draußen haben, aber ich kann dennoch in Ruhe ein paar Fotos machen.
An einem Imbissstand bekommen wir ein sehr gutes und reichliches Mittagessen: Brot, Salat und Falafel. Anschließend besichtigen wir die katholische Verkündigungsbasilika, die über dem »Haus der Maria« erbaut wurde. Wie schon bei meinem letzten Besuch finde ich die Kirche nicht besonders ansprechend, plump historisierend, einschließlich der meisten Mariendarstellungen aus aller Herren Länder, von denen nur die wenigsten künstlerisch halbwegs standhalten können. Beeindruckend und berührend trotzdem die Grotte mit den Resten eines Wohnhauses und einer Vorgängerkirche (aus der Kreuzfahrerzeit). Auf dem Altar die Aufschrift: »Hic verbo caro factum est.« Wir besuchen auch die Oberkirche, die ich nicht mehr in Erinnerung hatte, danach die Josephskirche, die zum selben Komplex der Franziskaner-Niederlassung gehört. Auch dort Ausgrabungen eines antiken Wohnhauses.
Es geht weiter nach Kana (genauer nach Kafr Kanna, das wahrscheinlich nicht das biblische Kana war), wir schauen kurz in die Hochzeitskirche, danach gehen wir durch die Ausgrabungen und fahren dann zurück nach En Gev. Dort möchte ich – noch bei Tageslicht – an den See und werde nicht enttäuscht. Ich gehe ganz nah heran, die Wellen plätschern sanft ans Ufer wie schon vor 2000 Jahren. Drei Spornkiebitze stehen an der Wasserlinie, dazu zwei Flussuferläufer und eine Bachstelze. Später, bei Dunkelheit, komme ich nochmals an den See und höre die Frösche quaken. Auch heute bin ich müde und werde wieder gut schlafen.